Sind wir vielleicht alle nur Erfindungen unserer selbst? Foto: © Ruprecht Frieling
Michael Szameit (* 1950) zählte zu den viel gelesenen Autoren im Genre wissenschaftliche Phantastik der untergegangenen DDR. Sein veröffentlichtes Werk ist umfangreich und wurde in großen Auflagen verbreitet. Der Roman »Copyworld«, man glaubt es kaum, entstand tatsächlich schon zu einer Zeit, als Hammer und Zirkel noch regierten, und manch ein Leser erkennt darin auch Anspielungen auf das autokratische System des sozialistischen Deutschlands. Nun liegt das Opus nach komatösem Schlummer in einer Schreibtischschublade als E-Book vor, und es ist zu hoffen, dass der Text neue Freunde des Genres erreicht. HIER geht es weiter →
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Es gibt wenige Autoren, deren Stil derart prägend ist, dass ihr Name zum Begriff wird. Kafka gehört dazu, wir sprechen beispielsweise von kafkaesken Szenarien. James Graham Ballard, der am 19. April 2009 nach langer Krankheit im Alter von achtundsiebzig Jahren in den Literaturhimmel entschwand, ist ein weiteres Beispiel.
Als »ballardian« definiert Collins Wörterbuch der englischen Sprache »den in J. G. Ballards Romanen und Geschichten beschriebenen Zuständen gleichend oder beschwörend, besonders die dystopische Moderne und die psychologischen Wirkungen der technonologischen, gesellschaftlichen oder umweltlichen Entwicklungen«.
Der britische Autor James Graham Ballard gilt als ein Großmeister der Science-Fiction-Literatur. Dabei wehrte er sich stets gegen diese Kategorisierung. Ballard war nicht an Raumschiffen und Ausserirdischen interessiert. Ihn beschäftigte »die Welt der geheimen Verführer der sich entwickelnden Kommuniukationslandschaft, des Massentourismus, der riesigen, vom Fernsehen dominierten konformistischen Vororte«. Ballard entwickelte die Vision vom Cyberspace, bevor das Internet erfunden wurde. Er ist insofern der literarische Vater des Netzes.
In den Sechziger und Siebziger Jahren waren seine Bücher in deutscher Übersetzung an jeder Ecke erhältlich. Dann wurde es still, vielleicht, weil seine drastischen Visionen im Zeitalter von Wirbelstürmen, Erdbeben, Tsunamis und Überflutungen zur täglichen Realität wurden. Der Edition Phantasia ist es nun zu verdanken, dass die bereits 1962 geschriebene Endzeitvision »The Drowned World«, auf deutsch ursprünglich als »Karneval der Alligatoren« vertrieben, unter geändertem Titel und in frischer Übersetzung wieder greifbar ist.
David Cronenberg verfilmte 1996 Ballards Roman »Crash«, einen Highway-Thriller über Todestrieb und Selbstzerstörungssehnsüchte. Stephen Spielberg hatte Jahre zuvor glücklos Ballards autobiographisches Werk »Im Reich der Sonne« verfilmt. Der jetzt vom Verlag gewählte Titel »Paradiese der Sonne« erinnert stark an diesen Titel; es handelt sich jedoch um ein eigenständiges Werk.
Ausgangspunkt des Romans ist eine extreme Erderwärmung in Folge gigantischer geophysikalischer Erschütterungen, die unsere Welt in die Zeit des Jura zurück katapultiert. Heftige Sonnenstürme lassen die Temperaturen stark ansteigen. Die Mehrzahl der tropischen Zonen wird unbewohnbar, ehemals gemäßigte Zonen werden tropisch, die Menschen wandern auf der Flucht vor Temperaturen zwischen 55 und 60 Grad nach Süden oder Norden. Sie besiedeln das antarktische Plateau und die nördlichen Grenzgebiete Kanadas und Russlands als letzte bewohnbare Lebensräume. Erdrutschartig hat Mutter Natur ihre Kreaturen wieder zurück in die Vergangenheit des Planeten geschickt.
Europa ist inzwischen nahezu vollständig überflutet, lediglich die Skyline der Wolkenkratzer ragt aus dem morastigen Dschungel empor. Wildwuchernde Schlingpflanzen und aggressive Reptilien haben die Herrschaft übernommen. Über den dampfenden Dächern der versunkenen Stadt London brechen Forscher ihre Station ab, um der immer brutaler brennenden Sonne zu entkommen. Aber die faulige Fieberhitze, die gnadenlos gleißende Glut und die schwülfeuchte Stimmung der Lagunenlandschaft hinterlassen auch in der Psyche der Menschen deutliche Spuren.
Der Biologe Dr. Keran widersetzt sich mit einigen Kollegen dem Abzug und will in dem Außenposten bleiben. Die Psyche der Zurückbleibenden scheint sich unter dem Duft der bizarren Wasserpflanzen und dem Geschrei der hungrigen Leguane und Alligatoren zu verändern. Sie beginnen, zu halluzinieren und verlieren die Kontrolle über Zeit und Raum. Unvermittelt taucht ein Schiff mit Plünderern auf, deren Kapitän Strangman aus unerklärlichen Gründen nach Kunstwerken taucht. Er gebietet über ein Heer von Krokodilen und sonderbaren Gestalten. Die Truppe beginnt, das Wasser der Lagune zu stauen und einen Teil der Londoner City freizulegen. Benommen ziehen die Forscher durch die versumpften Straßen und erkennen einen Teil ihres früheren Lebens wieder
»Paradiese der Sonne« erinnert an die wissenschaftliche begründete Phantastik, die in den Siebziger Jahren besonders aus dem osteuropäischen Raum auf den deutschen Markt flutete. Es handelt sich um bizarres Gedankenbild, das in den Klimakatastrophen der Neuzeit, wie der Überflutung New Orleans, bereits konkret wurde. Besonders spannend ist, dass sich Ballard für die mit den veränderten Verhältnissen einher gehenden Verschiebungen der sozialen Gefüge und damit letztlich jedes Einzelnen befasst. Thematisch ist das Werk Spitze, sprachlich wirkt es leider farblos und schon recht antiquiert.
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